Mittwoch, 24. August 2016

MMI: Die Zeche Rosenblumendelle in Mülheim (Ruhr)

Ende Juli verbrachte ich ein paar Tage in Mülheim, wo Mudderns in der Nachkriegszeit aufwuchs. Neben dem (Über-)Leben, dem Aufwachsen zwischen vier Erwachsenen und drei Kindern in einer knapp 80m² großen Doppelhaushälfte und der Schulzeit spielte vor allem die Zeche Rosenblumendelle eine große Rolle.

Nachdem mein Großvater, ein Holzkaufmann, mit viel Glück früh aus russischer Kriegsgefangenschaft kam und seine Familie in Berlin wiederfand, wohin sich meine Großmutter mit ihrer erwachsenen Tochter samt Neugeborenem, einer Zehn- und einer Achtjährigen aus Westpommern durchgeschlagen hatte, ging's erstmal nach Oberbayern, wo man Zuflucht bei der Familie des Schwiegersohns, der in Kriegsgefangenschaft war, fand.

Ein alter Förderwagen der Zeche am Eingang in den Revisionsschacht.
Dann ging's mit alle Mann ins Ruhrgebiet, wo mein Großvater ursprünglich herkam und wohin er noch immer Verbindungen hatte, die er nutzen konnte, um Arbeit zu finden. Es klappte: Er übernahm schließlich die Leitung des Sägewerks der Zeche Rosenblumendelle. Wie Mudderns mir während unseres Urlaubs in Oberursel erzählte, wurden in den Sägewerken der Zechen das Grubenholz gelagert und verarbeitet.

Der erwachsene Sohn, der inzwischen auch aus den Nachkriegswirren aufgetaucht war und sich in Mülheim einfand, bekam Arbeit als Tischler, und der Schwiegersohn, der ebenfalls aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, wurde Bergarbeiter. So lebte dann die ganze Familie von der Zeche.

Mudderns und ich am Gedenkstein für die Zeche Rosenblumendelle.
Ein knappes Jahr war die Familie getrennt, wohnten meine Großmutter mit ihren beiden jüngsten Töchtern und der erwachsenen Tochter mit ihrem ersten Kind in Dorsten, während die Männer nach einer Wohnung in Mülheim suchten und zur Untermiete lebten.

Schließlich fand man in der Nähe der Zeche eine Doppelhaushälfte. Unten waren Elternschlafzimmer und Wohnküche. Oben waren zwei Zimmer: Eins für die erwachsene Tochter samt Familie (Mann und ein, später zwei Kinder), eins für meine Mutter und ihre Schwester. Auf dem Treppenabsatz fand noch eine Kochnische für die Familie der erwachsenen Tochter Platz. Außerdem gab's noch ein Plumpsklo samt Hühner- bzw. Schweinestall, einen Vorratskeller und einen Selbstversorgergarten. Der erwachsene Sohn lebte in der Nähe zur Untermiete.

Blick auf das ehemalige Zechengelände: Links war die Waschkaue, rechts die Verwaltung.
Während der Planung der Reise war schnell klar: Wenn es eine Möglichkeit gibt, das Gelände der ehemaligen Zeche Rosenblumendelle zu erkunden, möchten wir sie nutzen, denn dieser Ort ist (neben dem Haus, in dem sie lebte) für Mudderns einfach sehr wichtig. Ich stieß auf den Initiativkreis Bergbau und Kokereiwesen, der bis vor kurzem öffentliche Führungen über das ehemalige Zechengelände machte.

Lars van den Berg war auch sofort bereit, uns zu führen, gab aber zu bedenken, dass der normale Rundgang knapp drei Stunden dauere und etwa drei Kilometer umfasse. Das wäre normalerweise kein Problem für Mudderns (eher schon für mich, denn durch dieses dusselige Burn Out habe ich noch immer meine alte Form nicht zurück), nur machten uns Hitzewelle und verschleppte, fiebrige Blasenentzündung einen Strich durch die Rechnung: Mudderns, die normalerweise einmal, oft auch zweimal täglich ihre drei bis fünf Kilometer lange Runde durch's Dorf dreht, war mit einem kurzen Spaziergang schon überfordert, weigerte sich zudem, zu trinken - nicht nur bei Hitze fatal.

Spurensuche mit historischen Fotos auf dem ehemaligen Zechengelände.
So sagte ich dann alle Führungen ab bis auf die über das Zechengelände, denn die wollte Mudderns partout machen. Van den Berg entpuppte sich als wahrer Engel, holte uns vom Hotel ab, strich die Tour zusammen, zeigte uns manches im Vorbeifahren, ging mit viel Geduld und Improvisation über das Zechengelände und fuhr uns im Anschluss wieder ins Hotel.

Auch, wenn sie es nicht zeigen kann: Mudderns freute sich, dass sie einiges auf dem Gelände wiedererkannte. So erinnerte sie sich daran, dass sie aus der Bücherei der Zeche die ersten "Pucki"-Bücher auslieh (die paar, die sie geschenkt bekam, liebt sie bis heute, und da sie jahrzehntelang bedauerte, nie die ganze Serie gelesen zu haben, schenkte ich ihr die zum 65. Geburtstag kurzerhand komplett*), dass sie mal die Zeche durch die Markenhalle betrat, viel öfter aber einen Nebeneingang am Sägewerk nutzen durfte, um ihrem Vater Essen zu bringen, vorbei an den Kindern, die nicht auf das Gelände durften, sondern ihren Vätern die Henkelmänner über den Zaun reichen mussten.

Blick über das ehemalige Zechengelände. Da, wo heute Bäume wuchsen, war früher das Sägewerk, das mein Großvater leitete.
Schlussendlich konnten wir dann auch noch das Gebäude identifizieren, in dem Mudderns und ihre Schwester mal als Engel zu einer Weihnachtsfeier der Sägewerksmitarbeiter auftraten: Mudderns Beschreibung nach kann es nur die Fünte gewesen sein, wo sich bis heute die ehemaligen Bergarbeiter aus Rosenblumendelle zum Stammtisch treffen.

Jetzt, wo Mudderns wieder fit ist, nimmt sie die Fotos, die ich auf dem ehemaligen Zechengelände machte, und die historischen Fotos, die uns van den Berg zum Ende der Führung überreichte, immer öfter zur Hand, und wenn wir abends telefonieren, erzählt sie das eine oder andere, das ihr wieder einfiel. Das freut mich.

Dieser Betrag nimmt teil an der Linkparty "Mittwochs mag ich" bei Frollein Pfau. Noch mehr Infos zur Geschichte der Zeche Rosenblumendelle und historische Fotos gibt es hier und hier geht's zum Initiativkreis Bergbau und Kokereiwesen e. V..

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Mittwoch, 17. August 2016

MMI: Gartenhotel Luisental in Mülheim an der Ruhr

Vor vier Wochen war ich mit Mudderns auf Reisen, in Mülheim. Wir hatten uns zu ihrem 75. Geburtstag vorgenommen, jedes Jahr einen der Orte ihrer Kindheit zu besuchen, denn in den ersten Jahren ihres Lebens zog die Familie oft um, bedingt durch den Beruf ihres Vaters.

In diesem Jahr ging's nach Mülheim an der Ruhr, wo Mudderns in den Nachkriegsjahren aufwuchs. Um das Hotel hatten wir uns viele Gedanken gemacht. Am liebsten hätte sie eines in Mülheim-Heißen gebucht, in dem Stadtteil, in dem sie aufwuchs, aber da gab's keins.

Blick ins Komfortzimmer. 
Eine Privatunterkunft in einem ehemaligen Bergarbeiterhaus hätte es gegeben, unterm Dach, also quasi so, wie Mudderns als Zehnjährige schlief, aber Mudderns wollte sich kein Bad mit Fremden teilen (und bei Temperaturen um 40°C Grad, die wir während unseres Aufenthalts hatten, war ich sehr froh, dass wir nicht unterm Dach wohnten).

Nach vielen Überlegungen (ich ahnte vorher ja nicht, wie viele Hotels es in Mülheim gibt) entschieden wir uns schließlich für das Gartenhotel Luisental. Buchungskriterien waren die ruhige Lage, der Garten, die Nähe zu Altstadt, Ruhr und Straßenbahn.

Blick ins Bad. 
Wir hatten Komfortdoppelzimmer zur Einzelnutzung gebucht und bekamen zwei Zimmer zur Gartenseite hin. Mudderns entzückte der Tulpenbaum vor ihrem Fenster. Meine Aussicht war weniger idyllisch, aber in diesem Urlaub ging's ja nicht um mich.

Die Zimmer waren großzügig, sauber und - oft ein Mangel in Hotels - hatten ausreichend Kleiderbügel. Die Badezimmer waren ebenfalls großzügig und sauber. Einzig ein Duschgelspender in der Dusche fehlte mir. Das wlan funktionierte problemlos und schnell.

Blick aus Mudderns Hotelfenster.
Aktuelle Mülheim-Prospekte auf den Zimmern wären schön gewesen, weil ich doch ganz gerne mal blättere statt zu surfen. Das Tourismusmagazin, das auslag, hatte schon einige Monate auf dem Buckel. Eines, das ich mitbrachte und entsorgen wollte, nachdem ich die für mich relevanten Seiten herausgerissen hatte, nahm das Zimmermädchen stur immer wieder aus dem Papierkorb - mag sein, dass sich jetzt ein Gast über einen zerfledderten Mülheimführer wundert.

Im Garten. Der Tulpenbaum hat schon zwei Blitzeinschläge überlebt. 
Die Hotelwahl war goldrichtig, vor allem, weil wir mehr Zeit im Hotel verbrachten, als ursprünglich geplant. Mudderns war nämlich total neben der Spur. Sie zeigt seit zwei Jahre heftige Persönlichkeitsveränderungen und Stimmungsschwankungen, und nun kamem auch noch Hitze und eine verschleppte, verleugnete Blasenentzündung dazu. Dass Mudderns sich zu allem Überfluss auch noch weigerte, zu trinken, machte die Sache nicht besser.

So machten wir einen ausgedehnten Mittagsschlaf, um danach den Garten zu nutzen, denn Mudderns war nicht in der Lage, viel zu laufen. Normalerweise macht sie mindestens einmal täglich einen größeren Spaziergang von etwa fünf Kilometern - oft geht sie auch zweimal am Tag los. So suchte ich Restaurants, die mit einem Spaziergang erreichbar waren, und freute mich auf die Wege entlang der Ruhr, aber weiter als bis zu Franky's im Wasserbahnhof kamen wir nicht.

Geburtstagstisch.
Wie schlecht es Mudderns ging, zeigte sich an ihrem Geburtstag: Normalerweise legt sie sehr viel Wert darauf, dass der gebührend gefeiert wird, auch, wenn sie es nicht zugibt. Minimum ist wie auf einer Kreuzfahrt eine Torte mit Fontänen, die in einer Polonaise samt Musikbegleitung durch das ganze Lokal getragen wird. Nun, eine Torte mit Fontänen ist meine leichteste Übung, schließlich verkauft der Gatte die Fontänen (ich dachte aber trotzdem nicht daran, welche mitzunehmen).

Das Hotel-Team bereitete einen zauberhaften Geburtstagstisch, der Mudderns eine geradezu hysterische Ablehnung bescherte. So ein Verhalten kannte ich von ihr nicht, es macht mir Angst. Das Team nahm's professionell gelassen.

Im Garten.
Da ich mir in den Kopf setzte, den Ruhrtalradweg zu radeln, und das Gartenhotel Luisental fahrradfreundlich ist, werde ich das Hotel wohl noch mal buchen.

Dieser Betrag nimmt teil an der Linkparty "Mittwochs mag ich" bei Frollein Pfau.

Montag, 15. August 2016

#12von12 im August 2016

Am 12. biss mich erst mal alles: Um zwei Uhr nachts wachte ich mit einem Monster-Wadenkrampf auf und konnte danach nicht mehr wirklich schlafen. Kaum aufgestanden, musste ich eine Wassermelone und eine Gurke entsorgen, weil beide Schimmel angesetzt hatten. Dementsprechend gab's keinen Schichtsalat für die Mittagspause.

#1: Nach dem Aufstehen erst mal im Garten nach dem Rosmarin suchen. 
Beim Anziehen meiner Lieblingsneaker merkte ich, dass die irreparabel kaputt sind. Beim zweiten Paar Sneaker musste ich einsehen, dass die nicht wirklich bequem sitzen. Will jemand 'n Paar Sneaker mit Union Jack geschenkt? Ich hätte gerade welche abzugegeben.

#2: Zutaten für das heutige Infused Water. Das Rezept gibt es in der Kombüse.
So trug ich ein Paar rote Schuhe, die sich mit dem Weinrot der Socken bissen, aber ich hatte keinen Nerv, noch weiter nach Schuhen zu suchen, die nicht gerade herumzickten. Außerdem passten die Snoopy-Socken zum Top und zu den Ohrringen- ist ja auch schon was.

#3: Brote schmieren. Ich liebe die wassergekühlte Bunzlauer Butterdose*.
Dass ich im Parkhaus noch einen der raren reservierten Parkplätze direkt an der Bürotür bekam, versöhnte mich nur kurz mit dem Tag, denn kaum im Büro, vergaß ich die Kapsel in der Kaffeemaschine und hatte heißes Wasser mit Milch im Becher.

#4: Kleiner Aktenstapel.
Immerhin fand ich meinen vermissten Pauli-Kugelschreiber wieder: Er lag fast ein Jahr unbemerkt im Büromaterialbestellungsheft. Ich musste so lange nicht mehr selbst in die Beschaffungsstelle gehen, da normalerweise mein Lieblingsfahrer das übernimmt, wenn er Präsenzzeit hat (und der nimmt ein anderes Heft, denn wir haben bislang für jedes Sekretariat eins, führen die aber gerade zusammen, weil's eigentlich eh eine Kostenstelle ist). Da der liebe Kollege gerade Urlaub hat und seine Vertretung gerade fuhr, ging ich selbst.

#5: Ab in die Beschaffung.
Einmal in der Beschaffung, brachte ich auch gleich A-Z-Register mit, denn so langsam könnte ich mich mal an die 2016er Ablage machen. Durch die aktuelle Chefin habe ich so wenig Papierablage, dass es noch nicht not tat, einen Aktenordner anzulegen, denn sie bevorzugt die elektronische Ablage.

#6: Brotdose für's Bürofrühstück.
An meinem Arbeitsplatz war's echt ruhig - die Sommerferien waren endlich zu merken. Ich erledigte also die elektronische Ablage, schob ein paar Vorgänge auf die nächste Arbeitsebene, bewachte das Telefon, überwachte meine Postfächer und war froh, zur Abwechslung mal wieder in meinem kleinen Karnickelställchen zu sein. Im Vertretungsdienst teile ich mir nämlich ein Büro. Das ist okay, aber anstrengend, da laut. Da merke ich dann gelegentlich das dusselige Burn Out, dessen Reste ich immer noch mit mir herumschleppe.

#7: Infused Water. Das Rezept gibt es in der Kombüse.
Die Mittagspause verbrachte ich im Einkaufszentrum. Ich musste Grönhöker (Bohnen und Zuckererbsen für das Abendessen) und zur Drogerie (Magnesiumtabletten wegen der nächtlichen Wadenkrämpfe, Calcium gegen den Heuschnupfen, Mascara für buschige Wimpern - dass ich auch noch Fingerkuppenpflaster brauchte, vergaß ich).

#8: Das obligatorische 12-von-12-Fahrstuhlfoto, diesmal in der Mittagspause genacht. 
Einmal unterwegs, schaute ich noch bei Thalia vorbei und fand tatsächlich den gesuchten Reiseführer* (und ein Freitagsgeschenk für den Gatten). Bei TK Maxx guckte ich auch kurz rein - der Laden ist mir normalerweise zu chaotisch, aber ich hoffte, dort vielleicht einen Picknickrucksack zu finden. Nö. Dafür fand ich Infused Water-Flaschen* für eine Kollegin, die ich erfolgreich mit dem Aroma-Wasser anfixte.

Normalerweise geht's freitags auch noch zum Schlachter und zum Bäcker, aber Fleisch für's Wochenende hatten wir noch ausreichend, und ein Toastbrot hatte ich schon am Vortag gekauft.

#9: Mittagspauseneinkaufsbeute.
Wirklicher Luxus ist es, freitags früher gehen zu können. Ich freute mich und nutzte die gewonnene Zeit, um ein bisschen Nachtschlaf nachzuholen.

Der Gatte fiel wie erwartet quasi von der Türschwelle ins Bett. Während er schlief, hörte ich das "Kulturgespräch" im DLF, putzte Bohnen und bereitete das Abendessen zu. Wir aßen gemeinsam, dann verkrümelt er sich wieder, um Reisedokus zu schauen.

#10: Bohnen vor dem Putzen.
Ich lümmelte mich mit Strickzeug auf dem Sofa, um "Lewis"* zu schauen. Ich habe zwar alle Staffeln auf DVD und sie inzwischen auf schon mehrfach gesehen, aber egal. Über die Folge "Life Born of Fire"* habe ich hier schon mal geschrieben.

#11: Abendessen. Das Rezept gibt es in der Kombüse
Da Hathaway in der Folge ständig trinkt, goß auch ich mir irgendwann einen Whisky ein - die Wahl fiel auf Stauning. Der Gatte guckte immer mal vorbei, um mir von Reise- und Ausflugszielen zu erzählen, die ihn spontan begeisterten.

#12: Nightcap, Betthupferl und Dackelsocke im Werden. 
Ich ging relativ früh ins Bett, nicht nur, weil ich müde war, sondern auch, weil ich "Krautkiller"* zu Ende lesen wollte. Das Ende überraschte mich nicht - ich ahnte schon ziemlich früh, wer der Mörder ist. Aber das Lokalkolorit ließ mich durchhalten - wir urlauben dieses Jahr im Chiemgau, und ich bekam die eine oder andere Idee für die Urlaubsplanung.

Dieser Beitrag macht mit bei "12 von 12" bei Draußen nur Kännchen. Die Rezepte zu diesem Tag gibt es in der Kombüse.

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Freitag, 12. August 2016

Ausgelesen: Bücher im Juli 2016

Die Gnadenkirche in Mülheim-Heißen.
Im letzten Monat hatte ich unfreiwillig sehr viel Lesezeit. Ich war nämlich mit Mudderns über ihren Geburtstag ein paar Tage unterwegs.

Vor drei Jahren, als wir in Oberursel waren, reifte die Idee, jedes Jahr über ihren Geburtstag gemeinsam ein paar Tage an die Orte ihrer Kindheit zufahren.

Aufgrund des Berufs ihres Vaters zog sie nämlich sehr oft um. Einzige Konstante sind eigentlich nur die sechs Kriegsjahre im damals von Deutschen besetzten Polen und dann die Zeit in Hamburg, aber da war Mudderns schon fast erwachsen.

In den letzten beiden Jahren ging's Mudderns psychisch zu schlecht zum Verreisen, aber dieses Jahr machte es den Anschein, dass sie sich wieder berappelt hat. So fuhren wir also nach Mülheim an der Ruhr. Nun ja, der Schein trog. Mudderns war die Woche komplett von der Rolle, und zusätzlich machten ihr die große Hitze sowie eine Blasenentzündung zu schaffen. Es wäre vernünftiger gewesen, die Reise abzusagen oder vorzeitig zu beenden, aber beides wollte Mudderns nicht.

So beschränkten wir uns darauf, morgens einen kurzen Spaziergang zu machen, bleiben dann über Mittag im Hotel und gingen abends ein paar Schritte zum nächsten Lokal. Bis auf eine sagte ich alle geplanten Besichtigungen und Verabredungen ab. Und so hatte ich viel Zeit zum Lesen, denn das Hotel verlassen und alleine durch Mülheim zu butschern, ging nicht - Muddern hatte Angst, alleine zu bleiben. 

Quelle: Sutton
Da Mudderns gerne Krimis liest und zwischen 1948 und 1951 in Mülheim-Heißen lebte, kamen mir die Mülheim-Krimis von Monika Detering und Horst-Dieter Radke als Reiselektüre und Geburtstagsgeschenke gerade recht. "Blütenreine Weste"* spielt in Mülheim im Jahr 1951. Kriminalinspektor Alfred Poggel, der dem NS-Regime wohl kritisch gegenüberstand, versucht sich inmitten alter und neuer Strukturen zurecht zu finden.

Der Leser wird mit einer sehr drastischen Szene direkt in die Handlung katapultiert, hinein in eine Welt voller Schieber und Schwarzmärkte, kurz vor dem Beginn des so genannten Wirtschaftswunders. Poggel muss sich zurecht finden in einer Stadt, in der der Krieg noch immer sehr spürbar ist. Als der zwielichtige Heinz Lennewegs, der Liebhaber von Poggels neuer Zimmerwirtin Anna Puff, ermordet wird, ist sein Vorgesetzter Goeke, der eine NS-Vergangenheit hat, deshalb richtig froh, Poggel auf den neuen Fall ansetzen zu können. Aber der Inspektor hat zu viel erlebt, um sich so einfach ablenken zu lassen.

Im Anschluss las ich "Endstation Heißen"* von den gleichen Autoren. Poggel ist inzwischen zum Chef der Mordkommission aufgestiegen, wohnt aber immer noch auf Zimmer bei Anna Puff in Heißen. Kaum aus dem Urlaub zurück, muss er in einem Todesfall ermitteln, der sich unweit der Heißener Gnadenkirche ereignete: Eine junge Frau wurde missbraucht und erwürgt.

Ein Täter ist schnell gefunden, ein Sonderling, dem die Nachbarschaft misstraut, so sehr, dass sie zur Lynchjustiz greifen will. Aber während der Verdächtige noch in Haft ist, ereignet sich ein zweiter Todesfall. Poggel sucht also weiter nach einem Täter.

Beide Krimis machten Spaß. Der Spannungsbogen ließ zwar gelegentlich zu wünschen übrig, aber Lokalkolorit und humorvolle Schilderungen machten das wieder wett. Viele Orte, die Detering und Radke beschreiben, existieren noch, wie das Stadtcafé Sander. Gerne wäre ich da mit Mudderns konditorn gegangen, aber sie war so neben der Spur, dass sie noch nicht mal zu etwas, das sie normalerweise liebt, zu bewegen war.

Als ich für Mülheim packte, wollte ich eigentlich nur "Blütenreine Weste"* einpacken, denn ich dachte, ich komme doch nicht zum Lesen - Erfahrungswerte aus anderen Reisen mit Mudderns. Dann dachte ich, ach, pack' die Fortsetzung auch noch ein, wer weiß. Und schließlich dachte ich mir, jetzt schleppe ich schon so viel am Gepäck mit, da kommt es auf das eBook auch nicht mehr an. Das war meine Rettung, denn die beiden historischen Krimis hatte ich zwei Tage vor Abreise durch.

Schon Anfang des Monats hatte ich mir einige eBooks der "drei ???" auf den Reader geladen, die ich zügig nacheinander weg las. So war ich also vor und nach Mülheim an der Ruhr literarisch im fiktiven Rocky Beach am Pazifik unterwegs.

"Die drei ??? und die flüsternden Puppen"* fand ich ziemlich schwach. Durch einen gefundenen Walkman kommen Justus, Peter und Bob einer Entführung auf die Spur, die sie bis nach Mexiko führt. So weit, so gut, aber schon nach wenigen Seiten hatte ich das Gefühl, die Hobby-Detektive sollen an der Nase herumgeführt werden. Ich hatte Justus im Verdacht, seinen beiden Freunden einen Streich spielen zu wollen. Ganz so war's zwar nicht, aber die gelegentlich schon mal recht dünne Handlung der Reihe konnte mich hier so gar nicht überzeugen.

Ähnlich war's mit "Todesflug"*: Die Hobbydetektive sitzen durch eine Autopanne mitten in der Wüste fest, und dann auch noch ohne Wasser. Sie kämpfen sich zu einem verlassenen Haus durch und geraten in ein haarsträubendes Abenteuer. Was echt spannend begann, endete dann so, als ob die Seitenzahl abgelaufen wäre: Unlogisch und abrupt. Aber Fans stört so was ja wenig.

"Die drei ??? und der letzte Song"* versöhnte mich dann wieder ein bisschen. Der erfolgreiche Rockstar Lenny „The Rock“ veranstaltet auf seinem Anwesen ein teures Geburtstagskonzert voller Spezialeffekte. Als Höhepunkt der Party hat er eine Überraschung angekündigt. Auch Justus, Peter und Bob sind unter den Gästen. Die Detektive rechnen mit Vielem – doch sicher nicht mit dem, was dann passiert! Bei den Ermittlungen gerät einer der drei in große Gefahr ...

Von den garuenhaften Liedtexten mal abgesehen, war das Buch spannend und in sich einigermaßen logisch, las sich flüssig weg. Allerdings stört es mich gerade ein wenig, dass die drei ??? einfach nicht älter werden. Ob das Konzept heute noch jugendliche Leser anspricht? Aber vielleicht las ich auch einfach nur zu viele Abenteuer der drei Hobbydetektive hintereinander weg und war deswegen übersättigt.

Quelle: dtv
Bevor's an die Ruhr ging und an den Pazifik ging, ging's erstmal an die Nordsee, nach Fredenbüll. Der Gatte hatte uns "Dreimal Tote Tante"* von Krischan Koch* gekauft, weil er den Klappentext so herrlich skurril fand.

Worum geht's? Der Frühling lässt nicht nur die Liebesgefühle der Fredenbüller in Wallung geraten, sondern bringt einige Aufregung in das verschlafene nordfriesische Örtchen: Im Jauchebecken von Schweinezüchter Schlotfeldt tauchen die Leichen zweier vermisster Frauen auf. Pensionswirtin Renate verschwindet nach dem abendlichen Landfrauentreffen und findet sich angekettet in einem dunklen Kellerverlies wieder. Für Dorfpolizist Thies Detlefsen ist klar: Ein wahnsinniger Frauenmörder geht um!

Ich hatte von Koch schon "Flucht über's Watt"* gelesen, das mir gefiel, und mir daraufhin "Rote Grütze mit Schuss"* aus der Onleihe heruntergeladen, aber die Ausleihfrist überschritten, konnte es nicht mehr lesen. So sprang ich also mitten in die Fredenbüll-Reihe und hatte großen Spaß mit der skurrilen Geschichte.

Zum Monatsende begann ich mit "Küstenkoller"* von Richard Fasten. Seinen Erstling "Moin" hatte ich schon mit Begeisterung gelesen, und der zweite Band steht dem ersten in nichts nach. Leseempfehlung für Fasten und Koch!

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Mittwoch, 10. August 2016

Tag der offenen Tür in der City Nord: Vattenfall Firmenzentrale / Überseering 12 [MMI]

Ins Vattenfall-Gebäude wollte ich schon, seitdem ich für ein Buch mal zu Arne Jacobsen, einem dänischen Architekten, recherchierte. Damals ergab sich keine Gelegenheit, aber inzwischen gibt es Führungen durch das Gebäude (Termine und Anmeldung hier).

Als feststand, dass wir zum Tag der offenen Tür in der City Nord gehen, war also klar, dass ich unbedingt auch ins Vattenfall-Gebäude möchte. Die streng geometrische schwarze Fassade des so genannten "Vierscheibenhauses" fällt schnell ins Auge, wenn man sich der City Nord vom Rübenkamp her nähert. Sie ist so prägnant, dass sie das Stadtbild prägt und von vielen Stellen aus sichtbar ist: Das Gebäude besteht aus einem Raster mit 6.500 braun eloxierten Fensterscheiben, in denen sich der Hamburger Himmel spiegelt.

Vierscheibenhaus vor dramatischem Himmel.
Fassade hinter begrüntem Pergolendach.
Die regulären Führungen durch das Vattenfall-Gebäude, die monatlich angeboten werden, dauern drei Stunden, die Sonderführungen zum Tag der offenen Tür anderthalb - anfangs erschien selbst das mir viel zu lang, aber die Führung mit Wolfgang Weiß, einem ehemaligen Haustechniker, war so kurzweilig und informativ, dass sie letztlich viel zu schnell vorbei war. Weiß bietet auch Führungen für Gruppen an - im Büro stieß das auf so viel Interesse, dass das Ziel des übernächsten Betriebsausflugs quasi schon feststeht.

Ein noch erhaltenes, von Jacobsen entworfenes Büro im Fast-Original-Zustand. 
Im alten Büro.
Das Büro mit Jacobsen-Elementen im Überblick. 
Wir begannen im Untergeschoss, in der Kantine, wo wir schon viel über den Bau und die Herausforderung, in einem denkmalgeschützten Gebäude eine moderne Kantine zu betrieben, erfuhren.

Besondere Aufmerksamkeit erfuhren immer wieder die Fensterscheiben: Von außen wirken sie schwarz, undurchsichtig und unnahbar, aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die getönten Scheiben genau so viel Einblick zulassen, dass man sieht, dass sich hinter den Scheiben Menschen bewegen. Von innen hingegen bewirkt die Tönung - nichts. Die Besonderheit der Tönung besteht nämlich darin, dass sie die Farben nicht verfälscht.

Blick aus dem Vattenfall-Gebäude: Von der Tönung der Scheiben ist nichts zu merken. 
Viele Gedanken machte sich Jacobsen darüber, wie Tageslicht in das Untergeschoss gebracht wird, und bei der Sanierung des Gebäudes vor einigen Jahren wurden seine Ideen weiterentwickelt. So sehen die Gäste der Kantine heute nur das Grün des terrassierten Gartens, wenn sie aus den Fenstern blicken. Das lässt glatt vergessen, dass man sich in der City Nord, die oft als Betonwüste verschrien wird, befindet. Deckenhohe bepflanzte Glaszylinder bringen ebenfalls Tageslicht ins Untergeschoss.

Vattenfall-Vorstandsbesprechungsraum mit einem Portrait des früheren Hamburger Bürgermeisters Herbert Weichmann.
Vom Untergeschoss aus fuhren wir mit einem Fahrstuhl mit Zielwahlsteuerung - eine geniale Erfindung, die ich zu gerne auch an meinem Arbeitsplatz hätte - zum Vorstandsbesprechungsraum und weiter zu einem noch weitgehend original erhaltenen Büro nach den Entwürfen Jacobsens.

Das Zielwahlsystem: Der Fahrstuhl hält nur am Ziel, ohne Zwischenstopps. Super effizient und schnell - will ich auf für unseren Büroturm.
Weiß sorgte dafür, dass jeder den Besprechungsraum und später auch das noch weitgehend original erhaltene Büro erstmal ohne andere Besucher fotografieren konnte - wundervoll (und dank der Erlaubnis der Vattenfall-Pressestelle kann ich einige der Fotos hier auch zeigen - auch dafür vielen Dank).

Reste der originalen Jacobsen-Farbgebung. Dieser Blau-Grau-Ton hat's mir echt angetan. 
Auch, wenn ich mir anfangs nicht vorstellen konnte, dass man anderthalb oder sogar drei Stunden durch ein Gebäude geführt werden könnte: Am Ende fand ich es schade, dass die Führung schon vorbei war und nahm mir vor, mal zu einer dreistündigen Führung zu gehen, denn es ist so vieles zu entdecken.

Dieser Betrag nimmt teil an der Linkparty "Mittwochs mag ich" bei Frollein Pfau.

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