Donnerstag, 29. März 2018

RUMS 14/18: Pullover aus Scheepjes Whirl Red Velvet Sunrise (Plus-Size / Tutorial)

Als ich dieses Farbverlaufsgarn* sah, musste ich einfach zuschlagen, denn es greift so wunderbar die Farben eines Sonnenaufgangs auf. Daraus wollte ich einfach einen Pullover haben!

Pullover aus Scheepjes Whirl Red Velvet Sunrise.
Beide Seiten haben einen unterschiedlichen Farbverlauf.
Ich habe beide Seiten gleich gestrickt, so dass es keine Vorder- oder Rückseite gibt. So kann ich jedes Mal nach Lust und Laune entscheiden, ob ich lieber Orange- oder Lilatöne als Vorderteil trage.

Die Ärmel im Detail (und alle Farben auf einen Blick).
Wie üblich habe ich keine Ahnung, welche Konfektionsgröße ich trage. Der Pulli hat eine Länge von 99 cm und eine einfache Breite von 70 cm.

Die Maße.
Damit es sanfte Übergänge gibt, haben ich das Garn im Wechsel von innen nach außen und von außen nach innen verstrickt.

Dieser Beitrag geht rüber zu RUMS, zu Stricklust, zu den Liebsten Maschen und zur Häkeline.

Pullover aus Scheepjes Whirl Red Velvet Sunrise

Material:

860 g Scheepjes Whirl Red Velvet Sunrise (60% Baumwolle 40% Acryl, Lauflänge 215 g = ca. 1000 m)
Rundstricknadel 3,5 mm / 100 cm

Anleitung:

350 M mit Nadel 3,5 anschlagen und 20 R kraus rechts stricken, dann die Arbeit zur Runde schließen.

205 Rd rechts stricken, dann die Arbeit teilen. Auf jeder Seite für die Ärmel 50 M zunehmen = 275 M pro Hälfte. Weitere 27 R kraus rechts stricken, dann den Ausschnitt kraus rechts arbeiten.

Für den Ausschnitt 130 M stricken, 15 M abketten, 130 M stricken. In jeder vierten Reihe 4 x 6 M abnehmen, dann noch 1 x 3 M abnehmen. In R 115 alle M abketten. Die zweite Ausschnitthälfte gegengleich arbeiten.

Die offenen Nähte schließen. Ausschnitt und Ärmel mit halben Stäbchen umhäkeln. Die Fäden verziehen. Pullover waschen, spannen, anziehen und freuen.

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Montag, 26. März 2018

"Die Ankunft": Das Kindertransport-Denkmal an der Liverpool Street Station in London

Montags gegen Nazis
Heute um 17.30 Uhr trifft sich das demokratische Hamburg vor Saturn am Beginn der Mönckebergstraße, um vereint gen Dammtor zu laufen, denn: Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

"Die Ankunft": Das Londoner Denkmal von Frank Meisler erinnert an die Kindertransporte.
Heute geht's aber nach London, denn der Schöpfer dieses Denkmals ist Frank Meisler, der vorgestern im Alter von 89 Jahren in Tel Aviv verstarb. Ende August 1939, als Zehnjähriger, konnte er aus Danzig nach London fliehen, wo er bei seiner Großmutter aufwuchs. Drei Tage später wurden seine Eltern verhaftet, über das Warschauer Ghetto ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Dieses Denkmal findet sich an der Liverpool Street Station. Es wurde auf Initiative von Prince Charles 2006 dort aufgestellt, um an die über 10.000 meist jüdischen Kinder zu erinnern, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich, Polen, Danzig und der Tschechoslowakei nach Großbritannien kamen. Andere Aufnahmeländer waren Schweden, Belgien, Schweiz, Frankreich und die Niederlande. Die meisten der Kinder sahen ihre Eltern nie wieder, waren die einzigen aus der Familie, die die Shoah überlebten.

Das Londoner Denkmal ist eines von fünf, die Meisler zum Thema "Kindertransporte" schuf und trägt den Titel "Die Ankunft". Hinter den Kindern liegt ein langer Weg: Aus den Heimatländern für sie ihr Weg nach Berlin, weiter nach Hoek van Holland, wo sie nach Harwich eingeschifft wurden. Nach ihrer Ankunft wurden die Mädchen und Jungen, darunter auch Kleinkinder und sogar Säuglinge, auf Pflegefamilien verteilt. Da die Zahl der aufzunehmenden Kinder schnell die Zahl der Pflegeplätze überstieg, wurden sie teilweise in Heimen interniert. Dass Meisler bei seiner Großmutter unterkam, war so gesehen Glück.

Auf dem Sockel des Denkmals sind die Namen der Heimatstädte der Kinder zu lesen.
Jedes Kind durfte einen Koffer, eine Tasche, zehn Reichsmark und eine Fotografie mitnehmen. Bücher oder Spielsachen waren verboten, Wertsachen wurden beschlagnahmt. Für jedes Kind musste vor der Ausreisegenehmigung ein Pflegeplatz gefunden und finanziert werden. Auch die Reisekosten in Höhe von 50 GBP, nach heutigen Wert etwa 1.500 Euro pro Kind, mussten finanziert werden Dafür kamen die jüdischen Gemeinden, die Quäker und private Spender auf.

In Hamburg gibt es übrigens auch ein Denkmal für die Kindertransporte. Es heißt "Der letzte Abschied". Vor ihm versammeln sich seit Februar Montag für Montag die Faschisten.
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Samstag, 24. März 2018

Samstagsplausch KW12/18: Ohne Drama geht's wohl nicht

Diese Woche war etwas ruhiger. Also für unsere Verhältnisse und gemessen an den letzten vier Wochen. Außerdem war sie voller wunderbarer Erlebnisse. Aber der Reihe nach.

Montag erfuhren wir, dass das kleine braune Hundevieh, das vor gut einem Jahr eine Krebsdiagnose bekam und eigentlich nicht mehr sein dürfte, doch keinen Krebs hat, sondern gutartige Geschwulste. Außerdem war das Herz plötzlich viel besser - so gut, dass sich die Tierärzte schon in der Vor-Woche entschlossen, eine Zahn-OP und eine Biopsie durchzuführen. Letzteres war in den letzten Monaten wegen des schwachen Herzens nicht möglich, weil bei unserem Angstbeißer ohne Vollnarkose solche Untersuchungen unmöglich sind, weswegen Krebs erst jetzt ausgeschlossen werden konnte

Das Aufatmen darüber, dass der Hund mit gut 15 Jahren zwar alt, gelegentlich desorientiert und inkontinent, aber ansonsten fit ist, währte nur kurz: Durch die Zahn-OP kam's trotz Antibiotika zu einer Bakterieninfektion mit hohem Fieber. Trinken und Fressen wurde verweigert, selbst die Astronautennahrung, nach der angeblich jeder Hund verrückt wäre, nur unserer halt nicht, weswegen sie auch keine Medikamente aufnahm. Angstbeißer, der sie ist, biss sie auch noch um sich. Es sah wirklich schlecht aus. Schwiegermutter brauchte viel Geduld, und der Gatte wurde vor Sorge grau im Gesicht.

Vorgestern trank der Hund wenigstens wieder und behielt drei Löffelchen Astronautennahrung bei sich. Gestern kam sie uns wieder schwanzwedelnd entgegen, als wäre nie was gewesen ... 

Donnerstag hatte Mudderns einen Arzttermin, der ihr sehr bevor stand, aber D., ihre Gesellschafterin, begleitete sie, und so ging das Ganze glimpflich ab. Sie ist körperlich gesund. Ich bin sehr froh, dass D. sie zu diesen Termin begleitete. Ich selbst bot Mudderns das auch öfter an, ging ja auch deswegen in Teilzeit, aber von mir kann sie das nicht annehmen. Gut also, dass es mit der Begleitung durch den Pflegedienst klappt!

Schick verpackt und lecker. 
In dieser Woche war ich öfter im Laden als sonst, da eine Kollegin Urlaub hatte. Normalerweise bin ich nur einmal in der Woche da und einen Freitag im Monat, arbeite ansonsten in meinem Büro still und leise vor mich hin.

Gegenüber dem Laden ist seit sechs Jahren eine Großbaustelle, was dazu führt, dass viele Menschen bei uns nach dem Weg fragen, weil sie vor lauter Containern die Hauseingänge nicht finden. Das Gebäude gegenüber hat zudem knapp zehn Zugänge von drei Straßenseiten mit entsprechend vielen Adressen. Da kann man schon mal den Überblick verlieren.

Donnerstag standen zwei finnische Touristen im Laden und fragten nach der Patisserie Isabella. Die Frau erzählte, sie freue sich so auf die Patisserie, weil sie gluten- und laktosenintolerant sei und sich gefreut habe, dass sie in Hamburg konditorn gehen könne, und jetzt finde man den Laden nicht ... Meine Kollegin brachte sie auf den richtigen Kurs. Später standen die beiden dann wieder im Laden und reichten eine Tüte über den Tresen: "Für Sie, weil wir ohne Sie verloren gewesen wären!"

Wir waren sprachlos!

Macaron und Brownie, beides wohlschmeckend und glutenfrei.
Freitag war ich froh, als Feierabend und Wochenende war. Im jetzigen Job strengt mich der Vertretungsdienst zwar weniger an als in dem davor, aber anstrengend ist es dennoch. Als ich durch die Haustür kam, stolperte ich erst mal über's Mobiltelefon, das ich am Morgen vergessen hatte und das so oft angerufen wurde, dass es von Couchtisch fiel und durch die Wohnung vibrierte.

Auf dem AB war ein freundlicher älterer Herr, der uns seine Adresse mitteilte und sagte, er habe ein Mäppchen mit unseren Fahr-, Kunden- und Krankenkassenkarten und Geld gefunden. Äh, bitte was? Ich klingelte den Gatten an, aber der hatte alle seine Papiere, ebenso wie ich. Ich rief den Herrn zurück und kam angesichts seiner Adresse auf die Idee, zu fragen, ob die Papiere auf den Namen von Schwiegermutter lauten. Das war der Fall. Unsere Telefonnummer fand er dann über einen Anruf bei Schwiegermutters Apotheke heraus, denn die Kundenkarte war unter den verlorenen Papieren, der Gatte ist dort auch Kunde, in der Apotheke zählte man eins und eins zusammen ...

Also den Gatten eingesammelt, rein ins Auto, vorher noch den kleinen Blumenstrauß, den ich wie fast jeden Freitag für mich gekauft hatte, geschnappt, und ab. Wir trafen auf eine sehr freundliche Familie, die sich über die Blumen freute. Wir wiederum freuten uns über die ehrlichen Finder und fuhren gleich weiter zur Schwiegermutter, die den Verlust noch gar nicht bemerkt hatte.

Dann war endlich Wochenende!

Dieses Wochenende habe ich mutterfrei. Dass ich Mudderns einen Plan machte, wann ich sie anrufe und besuche, funktionierte die Woche über ganz gut. Ich bin dadurch etwas entspannter. Mudderns scheint ihre Medikament zu nehmen, auch das Antidepressivum, und hört sich sehr viel besser an.

Gestern erzählte sie stolz, sie habe geduscht, ganz alleine, und ihr Bett frisch bezogen. Ihre Stimme ist kräftiger, sie isst wieder mehr (wozu auch das Antidepressivum beiträgt). Sie liest auch wieder Zeitung, bekommt ein bisschen was mit von dem, was um sie herum vorgeht. Das hört sich alles gut an, und ich hoffe, es bleibt so.

Ansonsten bin ich froh, dass mit Ostern freie Tage kommen. An mir kann man momentan so wunderbar psychosomatische Stresssymptome aufzeigen, dass meine Hausärztin mich Montag schon krankschreiben wollte, was ich aber ablehnte. Ich hoffe, es geht auch so, zumal dieses Wochenende ruhig zu werden verspricht.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und eine gute Woche!

Montag, 19. März 2018

Denkmal für die Frauen vom Dessauer Ufer (FrauenFreiluftGalerie)

Montags gegen Nazis
Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Ich kann zurzeit nicht an den montäglichen Demonstrationen der demokratischen Mehrheit unserer Stadt teilnehmen, aber ich kann daran erinnern, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Die montägliche Demonstration des "Hamburger Bündnis gegen Rechts" trifft sich übrigens ab 17.30 Uhr an der Mönckebergstraße vor "Saturn".

Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Das Portrait der jungen Lucille Eichengreen mit ihrem Gedicht "Haare" (Entwurf: Cecilia Herrero. Ausführung: Cecilia Herrero und Hildegund Schuster, 1995)
Im Februar hatte ich beruflich im Fischereihafen zu tun und stieß auf dieses Werk der FrauenFreiluftGalerie an der Ecke des Gebäudes Neumühlen 16 - 20, das an die Frauen, die im im KZ Dessauer Ufer, einem Außenlager des KZ Neuengamme im Hamburger Hafen, Zwangsarbeit leisten mussten, erinnert.

Eine von ihnen war Lucille Eichengreen, am 1. Februar 1925 als Cecilie Landau in Hamburg geboren. Ihre Eltern wanderten aus Polen ein, erwarben aber nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, so dass ihr Vater im Rahmen der sogenannten Polenaktion im Oktober 1938 nach Polen deportiert wurde, die ganze Familie die polnische Staatsbürgerschaft hatte.

Der Weingroßhändler konnte nach Hamburg zurückkehren, wurde am 1. September 1939, der Tag des deutschen Überfalls auf Polen, als feindlicher Ausländer verhaftet und am 31. Dezember 1940 im KZ Dachau ermordet. Seine Asche wurde der Familie in einer mit einem Gummiband zusammengehalten Zigarrenkiste überbracht.

Am 25. Oktober 1941, dem Tag der ersten Juden-Deportation aus Hamburg, wurden auch die damals 16jährige Cecile, ihre 11jährige Schwester Karin und ihre Mutter ins Ghetto Łódź deportiert. Dort verhungerte die Mutter, starb am 13. Juli 1942. Es gelang den beiden Schwestern, sie an der Ghetto-Mauer begraben zu lassen, in der Hoffnung, der Ort eines Tages wiederfinden und ihre Mutter würdig beisetzen lassen zu können.

Blick auf das gesamte Denkmal.
Im September 1942 wurde die inzwischen 12jährige Karin gewaltsam von ihrer großen Schwester getrennt, ins Vernichtungslager Chełmno deportiert und ermordet. Cecile wurde im August 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, überlebte mehrer Selektionen und fand sich schließlich im KZ Dessauer Ufer, einem Außenlager des KZ Neuengamme im Hamburger Hafen wieder. "Es war nicht das Wiedersehen mit meiner Heimatstadt, das ich mir vorgestellt habe", sagte sie mir später in einem Interview für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Cecile überlebte das Lager, überlebte auch den Todesmarsch ins KZ  Bergen-Belsen, Hunger und Seuchen dort. Nach der Befreiung arbeitete sie als Übersetzerin für die Briten. In Zusammenarbeit mit der Britischen Militärregierung konnte sie in Hamburg 40 SS-Täter und Täterinnen aus dem KZ Neuengamme identifizieren, verhaften und vor Gericht stellen lassen.

Nach Morddrohungen verließ Cecile Deutschland und wanderte in die USA aus, wo sie 1946 den ebenfalls aus Hamburg stammenden jüdischen Emigranten Dan Eichengreen heiratete.

Unter dem Titel "Von Asche zum Leben*" veröffentlichte Eichengreen 1992 ihre Memoiren. Die 93jährige lebt heute im kalifornischen Oakland.

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Sonntag, 18. März 2018

#12von12 im März 2018

Ist es nicht unglaublich, dass schon das erste Vierteljahr vorbei ist? Die Zeit vergeht mir viel zu schnell! Aber auch heute gilt: Wie jeden Monat am 12. sammelt Caro von Draußen nur Kännchen 12 Impressionen unseres Tags. Vielen Dank dafür!

#1: Bushaltestellenblick.
Ich starte wieder spät, habe in der Nacht kaum geschlafen, erwäge eine Krankmeldung, aber nach reichlich Kaffee und geistlosem Geklicke für's Browser-Game geht's dann irgendwann.

#2: Die Steuererklärung macht sich auf den Weg.
Duschen, anziehen, ab zum Bus und zur S-Bahn fahren. Beim Umstieg kurzer Halt am Briefkasten: Die 2016er Steuererklärung ist überfällig.

#3: Lesen* beim Warten auf die S-Bahn.
Auf der S-Bahn-Fahrt bereite ich mich gedanklich schon mal auf den Arbeitstag vor. Bevor's ins Büro geht, muss ich durch den Laden, wo ich Freitag arbeitete. Meine Kollegin war allerdings so nett, die Kiste, die ständig zwischen Büro und Laden pendelt, zu holen. Ich sammle also nur noch meinen Teebecher* und die Thermoskanne ein.

#4: Erst mal Kardamomkaffee und Sirup-Wasser.
Im Büro koche ich Kardamomkaffee für eine Kollegin und mich und mache mir einen Liter Sirup-Wasser. Ich muss mich im Moment mal wieder austricksen, um genug zu trinken, brauche Geschmack im Wasser. 

#5: Bastelsatz für eine Schreibtischlampe.
Während ich Freitag im Laden war, wurde meine Schreibtischlampe geliefert. Ich mache mich ans Auspacken und Zusammenbasteln, um dann festzustellen, dass das Leuchtmittel nicht im Lieferumfang enthalten ist. Auf die Lampe habe ich ein Vierteljahr gewartet. Mal gucken, wie lange ich auf die Lieferung der Glühbirne warten muss. 

#6: Mit passendem Werkzeug ist die Montage der Lampe flugs erledigt.
Ansonsten werkle ich am Schreibtisch ein paar Stunden still vor mich hin an meinen Websites - das lässt sich schlecht im Bild festhalten.

#7: Kleiner Gruß für einen lieben Menschen.
#8: Porto-Puzzle.
Wie seit Anfang Februar montags üblich, mache ich früh Feierabend, um möglichst wenig Fascho-Pack, das zur wöchentlichen Demo am Dammtor will, zu begegnen. Ich werfe noch ein paar Briefe in den Bahnhofsbriefkasten, um den sich mehr als drei Stunden vor Demo-Beginn schon reichlich Sicherheitsleute versammelt haben.

#9: Warte-Eis im Einkaufszentrum.
Ich treffe den Gatten im Einkaufszentrum, wo wir zur Telekom müssen wegen der Umstellung unseres Telefonanschluss auf irgendeine neue Technik, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. Technik ist Aufgabe des Gatten, der hat daran mehr Spaß als ich. 

#10: Stricken.
Der Termin ist schnell vereinbart, alle Fragen beantwortet. Der letzte Besuch im Telekomladen war etwas anstrengend, weil der Mitarbeiter, von hartnäckigen Nachfragen genervt, meinte, wir sollten doch bitte unsere Enkel fragen. Diesmal gab's nur Diskussionen darüber, welchen unserer Telefonapparate wir künftig noch nutzen können. Der Gatte hat aber noch bis Mai Zeit, das zu klären und ggf. was neues zu kaufen.

#11: Chili zum Abendessen.
Der Gatte will noch in den Technikmarkt, ich stelle fest, dass ich das Mittagessen vergaß, also beschließen wir, uns am Eisstand wiederzutreffen. Eigentlich sollte es abends was von Asia-Stand aus dem Einkaufszentrum geben, aber es ist noch viel zu früh, um ans Abendessen zu denken, außerdem ist noch Chili da. 

#12: Vor dem Einschlafen kurz noch ein par Seiten lesen*.
Zu Hause steht das Telefonat mit Mudderns an, die sich angewöhnt hat, um 18 Uhr schon ins Bett zu gehen. Ich hoffe, das ändert sich wieder, wenn das Antidepressivum anschlägt. Danach falle ich mit dem Strickzeug auf's Sofa, unterbrochen vom Abendessen, und gehe früh ins Bett.

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Samstag, 17. März 2018

Samstagsplausch KW 11/08: Kurze Verschnaufpause

In dieser Woche kam ich ein wenig zum Durchatmen, weil ich nicht morgens vor der Arbeit mit Mudderns Pflegedienst, nicht mehr tagsüber und jeden Abend mit Mudderns telefonierte. Montag schickte ich alle Anträge und Vollmachten an die Krankenkasse (für die Begutachtung durch den MDK) und den Pflegedienst (damit die wissen, dass das mit dem MDK angeschoben ist).

So kam ich etwas zur Ruhe, was auch wirklich nötig war, denn nächste Woche muss ich vor der Arbeit einiges erledigen: Zum Arzt (Husten, Halsschmerzen, Schüttelfrost halten an), Passfotos machen lassen und neue Ausweispapiere beantragen (die alten sind abgelaufen, der Urlaub steht an und überhaupt), weitere Arzttermine machen usw.. Außerdem sind die Ferien vorbei, geht's im Laden wieder rund, muss eine Kollegin vertreten werden.

Heute kam der Gatte mit zu Mudderns, so dass es auch für mich etwas weniger anstrengend war. Und ich bekam eine zweite Meinung: Ja, Mudderns ist sehr klapprig, ja, Mudderns wird wirrer, ja, sie zeigt Demenzzeichen. Mal gucken, wie sich das entwickelt.

Während der Gatte über den Wochenmarkt und durch die Stadt  butscherte und einen Akku für Mudderns Telefon besorgte, fuhren Mudderns und ich zum Friedhof. Vadderns wäre gestern 97 Jahre alt geworden.

Blumengruß auf verwildertem Grab.
Ich war ein wenig entgeistert, wie verwildert das Grab ist, denn Mudderns erzählte immer wieder, was sie daran machte. Aber es ist wohl mit ihrem Haushalt, wo sie auch schon lange nichts mehr macht, obwohl sie es anders schildert (und dass alle zwei Wochen eine Putzfrau für drei Stunden kommt, reicht nicht). Wenn das Wetter besser ist, wird sie den Mann ihrer Putzfrau bitten, sich darum zu kümmern. Als wir fuhren, war sie allerdings der Meinung, der Gatte und ich kämen nächsten Sonnabend, um das Grab in Ordnung zu bringen und Stiefmütterchen zu pflanzen. Ähm, nein.

Nach dem Friedhofsbesuch ging's zum Bäcker, wo wir den Gatten aufsammelten, dann zu Ariadne, extra-flauschige Sockenwolle für den Gatten kaufen, und schließlich zurück zu Mudderns. Der Gatte und ich erledigten auf dem Heimweg unseren Wocheneinkauf und bummelten durch den örtlichen Sonderpostenmarkt, wo reichlich Filzwolle mit wollte. Ich muss einige kleine Täschchen filzen. Mal gucken, wann ich dazu komme ...

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch eine gute Woche und ein schönes Wochenende!

Dienstag, 13. März 2018

Oster-Windlichter aus alten Weckgläsern

Beim Räumen in Mudderns Keller fanden sich große Weckgläser, die eigentlich zu Stilbruch sollten, dann aber doch in meiner Weckgläser-Kiste landeten. Da ich keinen Bedarf an so großen Gläsern habe, wurden Oster-Windlichter daraus.

Windlichter mit Hasen.
Anfangs dachte ich noch, ich klebe die Papierhasen mit doppelseitigem Klebeband auf, aber dann entschied ich mich für den Klebestift.
Die Hasenform wird auf's Papier gezeichnet und ausgeschnitten.
Außer Kerzen kannst Du auch prima Frühlingspflanzen in die Weckgläser stellen. In diesem Jahr wachsen beispielsweise Tulpen in einem der beiden Gläser.

Die Windlichter sind schnell gemacht. Du brauchst:

2 Weckgläser, Inhalt 1 Liter*
Keksausstecher in Hasenform*
Origami-Papier*
Stanzer Hasen*- und Blumenmotiv*
Bleistift
Schere
Klebestift oder Art Potch*

Mithilfe der Ausstecher werden Hasenformen auf's Papier übertragen und ausgeschnitten. Auis den Papierresten werden Hasen und Blumen ausgestanzt. Die Ausschnitte auf die Weckgläser kleben - fertig.

Wenn's wasserfest oder haltbarer sein soll (zum Beispiel für Balkon oder Terrasse), statt Klebestift Art Potch verwenden.

Der Beitrag geht rüber zu den Linkparties "Creadienstag", "DienstagsDinge", "Happy Recycling", "Upcycling" und "Handmade on Tuesday".

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Samstag, 10. März 2018

Samstagsplausch KW10/18: Ist hier irgendwo Land in Sicht?

In dieser Woche bekam Mudderns zum ersten Mal Besuch vom Pflegedienst. Da sie ja nicht pflegebedürftig ist, nenne ich die Dame, die sich um die kümmert, ihre Gesellschafterin. Die heißt D. ist und anscheinend recht plietsch. Jedenfalls kommt sie gut mit Mudderns zurecht, und ein Telefonat mit ihr am Freitag zeigte, dass sie auch Mudderns Spielchen durchschaut.

Besonders berührt hat mich D.s Aussage, ich solle mir keine Sorgen machen, ich könne so oft kommen, wie ich wolle, es wäre für meine Mutter doch nicht genug. Das ist so, das ist seit Jahrzehnten so, das war schon so, als mein Vater noch lebte: Den Ansprüchen meiner Eltern kann ich einfach nicht genügen. Es ist nur selten, dass es jemand so klar ausspricht (und so schnell schon merkt).

Erleichtert war ich über D.s Feststellung, Mudderns sei mit Abstand die fitteste Seniorin, die sie betreue, und relativ klar im Kopf. Das hört sich erst mal nicht nach Demenz an. Der Pflegedienst wird außerdem Kontakt mit dem Medizinischen Dienst aufnehmen, damit eine erneute Begutachtung stattfindet. Die Pflegeleitung macht sich in der kommenden Woche selbst ein Bild, aber schon nach D.s Einschätzung steht Mudderns eine Pflegestufe zu, alleine schon, weil sie ihren Haushalt trotz Putzhilfe nicht im Griff hat.

D. schaffte diese Woche über viel, was ich im letzten Jahr vergeblich versuchte. So steht Mudderns Rollator endlich im Vorgarten, hat eine Haube und ein Schloss. Sie achtet darauf, dass Mudderns regelmäßig isst und ihre Tabletten nimmt, weil sie schnell durchschaute, dass Mudderns bei beidem trickst. D. ist außerdem bei Arztbesuchen dabei, auch im Sprechzimmer, so dass ich dann auch verlässlich weiß, was gesundheitlich bei Mudderns Sache ist.

Als ich Montag Nachmittag mit Mudderns telefonierte, guckte sie Nachrichten, was sie seit Wochen nicht tat. Dienstag war ihre Stimme schon kräftiger. Nichts desto trotz verlangte sie, dass ich Mittwoch der Arbeit fern bleibe und zu ihr komme, damit sie nicht alleine ist, weil D. mittwochs frei hat. Ich weigerte mich. Natürlich ging ich auch in Teilzeit, um mehr Zeit für Mudderns zu haben, aber ich muss ja wenigstens vorher mit Chefinnen und Kolleginnen sprechen, kann nicht einfach fehlen.

Mudderns drohte, dann einfach im Bett liegen zu bleiben, bis D. am Donnerstag wiederkomme. Ich blieb gelassen und sagte, das wäre dann halt ihre Entscheidung, aber natürlich machte ich mir Gedanken. Wie's dann so ist, wenn ich Mudderns Spielchen nicht mitspiele: Sie stand dann doch auf. Geht doch!

Donnerstag bekam Mudderns dann endlich ein Antidepressivum gegen ihre Angstzustände verordnet (da schlug ich ihr schon lange vor, vergeblich). Mudderns ist schon seit Jahrzehnten depressiv, aber ihre Strategie ist, sich in Krankheiten und Ausreden zu flüchten - ist eben weniger anstrengend, als die Depression zu bekämpfen. Das Leben kann halt so schön beschissen sein, wenn man sich bloß Mühe gibt!

Freitag Morgen um halb neun nahm sie die erste Tablette, und ab halb zehn war sie für drei Stunden alleine samt Rollator unterwegs: Bankgeschäfte erledigen, Kaffee trinken, im Gemeindehaus vorbeischauen ...

Bei jedem anderen braucht so'n Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bummelig zwei Wochen, bis er wirkt. Bei Mudderns geht's binnen einer Stunde. So'n Placebo-Effekt ist schon cool. Ich hoffe inständig, sie liest den Beipackzettel nicht, aber wie ich Mudderns kenne, hoffe ich vergeblich. Ich bin daher gespannt, wie lange sie die Happy Pills nimmt.

Heute war ich dann bei Mudderns, damit sie mir sämtliche Vollmachten erteilt, ich mit dem Medizinischen Dienst sprechen kann, im größten Notfall irgendwann mal eine Vormundschaft ausüben kann etc. Der Besuch war sehr kräftezehrend, auch wegen unzähliger Vorwürfe. So bin ich u.a. Schuld daran, dass sie im letzten Jahr keine Pflegestufe bekam, weil ich gegenüber dem Medizinischen Dienst gesagt hätte, ich käme jede Woche zwei Stunden, aber ich wäre ja nie gekommen.

Ja, nee, is klaa.

Nach drei Stunden in zutiefst negativer Atmosphäre, Nörgeleien über alles und jeden, war ich fix und fertig. Ich hatte vorher mit Mudderns abgemacht, dass ich drei Stunden bleibe, aber das war natürlich nicht genug. Ich zog dann die Reißleine, schaffte es mit letzter Kraft nach Hause und fiel dem Gatten heulend in die Arme.

Ansonsten hat Mudderns jetzt einen Plan bis Ende April, aus dem sie sieht, wann ich wo arbeite, wann ich abends mit ihr telefoniere und wann nicht, weil ich beim Sport bin, wann ich sie wie lange besuche, wann ich eine Woche im Krankenhaus bin und wann eine Woche in Dänemark.

Ich habe heute auch einfach einen Tisch für das Osterbrunch reserviert, wie jedes Jahr, obwohl Mudderns sich mit Händen und Füßen wehrte. Der Gatte und ich holen sie ab, damit sie nicht wie sonst alleine in Lokal gehen muss, und wenn sie nicht mit will, gehen wir alleine. Wenn sie sich das Leben unbedingt beschissen machen will, soll sie.

Nächste Woche kommt der Gatte mit zu Mudderns und macht das, worauf ich mich heute freute, was aber mit Mudderns nicht möglich war: Er bummelt über den Wochenmarkt und erledigt unseren Einkauf. Ich fahre mit Mudderns derweil zum Friedhof, Vadderns besuchen, der 98 wird. Nach drei Stunden fahren der Gatte und ich wieder nach Hause, und ich kann ins Bett fallen, muss nicht noch mal los, um mit dem Gatten einzukaufen.

In dieser Woche informierte ich auch meine Kolleginnen und die junge Chefin (ich habe zwei, die andere wird in zwei Monaten pensioniert) über die Situation bei Mudderns. Ich bekam viel Verständnis, Rückhalt und das Angebot, notfalls Homeoffice zu machen. Der Stellenwechsel war wirklich eine gute Entscheidung!

Schön war, dass ich diese Woche endlich meinen Kindle, den der Gatte mir zum Hochzeitstag schenkte, einrichten konnte. Dazu brauchte ich wlan, das wir zu Hause nicht haben, weil es alle PCs zum Absturz bringt. Heute kam dann auch noch die Hülle dafür* an - sie ist wunderschön.

Ich schaffte es heute außerdem, bei Ariadne vorzuschauen, Wolle zu tauschen und Knöpfe für eine Strickjacke zu kaufen. Die kann ich dann nächste Woche endlich tragen. Fehlt nur noch der Knopf für eine Filztasche, die seit Herbst auf Fertigstellung wartet ... Den werde ich wohl selbermachen, finde nichts Passendes.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch eine gute Woche und ein schönes Wochenende!

Montag, 5. März 2018

#WMDEDGT 3/18

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT?

Den Tag beginne ich lesend, denn ich kann mal wieder nicht schlafen. Also blättere ich noch nach Mitternacht in "Nordic -Das Kochbuch*" von Magnus Nilsson. Okay, ein knapp 800 Seiten starker gebundener Wälzer ist nicht die ideale Bettlektüre, das merke ich schnell.

Morgens nehme ich die Wecker erst wahr, als das Radio ausgeht, aber zum Glück habe ich reichlich Puffer, bevor ich im Büro sein muss. Ich stehe halt nur gerne früher auf, damit ich den Gatten noch sehen kann. Das ist heute nur kurz der Fall.

Ich nehme mir einen Kaffee, browse einmal durch die Zeitungen, google nach dem Hotel, in dem der gestrige "Tatort" gedreht wurde, und gucke in der Onleihe nach eBooks. "Dunkeltraum: Während du schläfst*" von Christine Drews erscheint mir die ideale Vorbereitung auf das Schlaflabor, das im nächsten Monat ansteht, spielt es doch in einem.

Irgendwann irritiert mich ein Klackern hinter mir: Es regnet, und die Tropfen gefrieren sofort beim Auftreffen auf die Metallfensterbänke und die Gehwegplatten. Ich hoffe auf den Winterdienst des Vermieters, der, wie meistens ausbleibt. Also ziehe ich dicke Skisocken über die Stiefel, um bis zur Bushaltestelle zu kommen. An der ist gestreut.

Skisocken gegen eisglatte Fußwege.
Im Büro bin ich zügig: Es sind Ferien, Bus und S-Bahn sind leer, und da der Citytunnel aufgrund von Bauarbeiten gesperrt ist, entfällt der Umstieg in Altona. In der Stadt ist das Blitzeis vom frühen Morgen getaut. Ein später Arbeitsbeginn hat Vorteile.

Im Büro freue ich mich, dass eine Kollegin wieder gesundet ist, denn sonst hätte ich ihren Dienst übernehmen müssen. Ich kontrolliere eine Lieferung und lese unsere Ziel- und Leistungsvereinbarung. Die betrifft zwar nicht direkt meinen Arbeitsbereich, gibt mir aber einen guten Überblick über das, was meine Kolleginnen und Kollegen so machen. Ich bin jetzt ein Vierteljahr im Team, aber der Durchblick fehlt mir schon noch ein wenig. Mein alter Arbeitsbereich war sehr hierarchisch. Der jetzige ist es nicht, gelinde gesagt.

Ich bin unkonzentriert und fahrig: Bei Mudderns ist heute zum ersten Mal der Pflegedienst, der weniger pflegen als Gesellschaft leisten soll, und ich frage mich, ob alles gut geht. Das Mobiltelefon bleibt ruhig, also gibt es zumindest keine Katastrophen.

Konzeptionelles Arbeiten ist heute nicht drin, also schiebe ich mehr oder weniger Papiere von links nach schräg, räume die Etagen-Spülmaschine freiwillig aus und ein und mache sehr pünktlich Feierabend, auch, weil ich keine Lust habe, in die montägliche Faschisten-Demonstration zu kommen. Das braune Pack rottet sich nämlich seit heute am Bahnhof Dammtor zusammen, genau auf meinem Heimweg. Einmal mehr frage ich mich, wie lange Deutschland mir noch Heimat sein wird.

Ich fahre sicherheitshalber eine Station mit dem Bus, denn auf der Fußgängerbrücke zum Dag-Hammarskjöld-Platz stehen schon reichlich Peterwagen. Ich bin zügig zu Hause, den Ferien sei Dank, mache mir einen Milchkaffee, nehme mir ein Stück dänischen Apfelkuchen vom Vortag und rufe bei Mudderns an.

Die guckt gerade Nachrichten - das tat sie seit Tagen nicht mehr! Ihre Stimme ist etwas kräftiger, es tat ihr offensichtlich gut, dass sie ihre Gesellschafterin den ganzen Tag durch die Gegend scheuchen konnte: Die beiden waren beim Hausarzt und im Café, wo Mudderns endlich mal wieder etwas aß, und plötzlich nimmt Mudderns Vorschläge an, die ich ihr schon seit einem Jahr mache, wie den, den Rollator im Vorgarten stehen zu lassen.

Dennoch will Mudderns partout keine Minute alleine sein, will, dass jemand sieben Tage in der Woche zu ihr kommt, aber bei ihr einziehen soll auch niemand. Wenn niemand da ist, legt sie sich ins Bett und bleibt dort, bis wieder jemand kommt. Ein Telefonat mit dem Pflegedienst am nächsten Tag wird meinen Eindruck ihrer Kapriolen der letzten Woche bestätigen: Mudderns braucht Betreuung, kann sich alleine nicht mehr richtig versorgen.

Der Gatte kommt von der Arbeit, ist sehr unterzuckert, muss erst mal mit Traubenzucker und Apfelkuchen gepäppelt werden, damit er mir nicht umfällt. Durch die Unterzuckerung ist er erschöpft und schläft erst mal. Eigentlich hätte er Küchendienst. Wir sind wieder mal pragmatisch: Es gibt Nudeln, für mehr hat gerade keiner von uns Kraft.

Ich bin hundemüde und könnte im Stehen einschlafen, falle auf's Sofa, gucke den Krimi im ZDF und stricke. Ich mag noch nicht ins Bett gehen, wohl wissend, dass ich nicht mehr schlafen kann, wenn ich erst mal liege. Also halte ich bis gegen 22 Uhr durch. Noch fünf Wochen bis Schlaflabor ...

Im Bett lese ich noch etwas in "Dunkeltraum*", lösche aber ziemlich schnell das Licht und versuche, zu schlafen.

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Samstag, 3. März 2018

Samstagsplausch KW 09/18: Orlando furioso

Gestern Abend verbrachte ich einen wunderbaren Abend in der Kammeroper, und das war eine Wohltat für die Seele. Es gab "Orlando furioso", eine Barockoper von Vivaldi.

Die Handlung ist ein wenig verworren: Bradamante und Angelica gelangen auf die Insel der Zauberin Alcina. Orlando ist in Angelica verliebt, doch da diese wiederum Medoro liebt, bittet sie Alcina um Hilfe. Alcina verspricht, die beiden Liebenden mit ihrer Zauberkraft wieder zusammenzubringen, und will für sich nebenbei Ruggiero, den Geliebten der Bradamante, durch einen Zauber als Liebhaber erobern. Bradamante weiß aber schließlich den Zauber Alcinas zu brechen.

Orlandos Versuche, gegen Alcinas Kräfte anzugehen, schlagen zunächst fehl: als er von der Hochzeit von Angelica und Medoro erfährt, verfällt er dem Wahnsinn. In seiner Verwirrung zerstört er eine Statue des Zauberers Merlin, wodurch er unbeabsichtigt Alcinas Macht bricht. Er erkennt, dass wahre Liebe nur zu erreichen ist, wenn man dem Liebeswahn entsagt. (Quelle: Wikipedia)

Kostüme und Bühnenbild sind einfach grandios, ebenso wie die Sängerinnen und Sänger. Bevor ich viele Worte verliere, empfehle ich Dir den Trailer:



Nach der Pause gewann die Handlung deutlich an Tempo und verzauberte dann auch Schwiegermutter, die mich begleitete. Erfüllt und verzaubert von opulenten Bildern, wunderbarer Musik, gutem Essen und Wein ging's dann ins Wochenende.

Ansonsten: Letzten Sonnabend hoffte ich noch, ich könne die Woche über in Ruhe meine vereiterten Mandeln auskurieren, viel schlafen, und, wenn's mir besser geht, vielleicht ein bisschen aufräumen, endlich mal die verlegten Passbilder suchen und ein paar Beiträge für die Blogs vorbereiten.

Und dann drehte Mudderns komplett ab. Sie beschloss schon seit ein paar Tagen, nicht mehr laufen zu können. Der Hausarzt schickte sie zum Neurologen und zum Physiotherapeuten. Beides lehnte sie ab. Anders als beim Schlaganfall vor einem Jahr versagten ihr nicht die Beine, sondern sie fand, sie könne nicht mehr gut genug laufen. Sonntag schließlich rief sie den Notarzt, der sie angesichts ihres Schlaganfalls vor einem Jahr sofort ins Krankenhaus brachte.

Mir selbst ging's total dreckig, ich war nicht in der Lage, ins Auto zu springen und zu ihr zu fahren, der Gatte war nicht da, und überhaupt, mit 'ner Streptokokken-Infektion ins Krankenhaus zu fahren, ist vermutlich nicht die beste Idee, sonst hätte ich mir ein Taxi gerufen.

Eine Stunde nach Mudderns Abtransport rief ich im Krankenhaus an. Dort wurde mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, Mudderns säße quietschfidel in der Wartezone und unterhalte da die ganze Notaufnahme. Einen Schlaganfall habe sie ganz sicher nicht, aber sie wolle auch nicht nach Hause, weil sie dort alleine sei. Man behalte sie über Nacht da, auch, wenn die Notaufnahme voll sei, und ich solle samt Streptokokken bitte schön zu Hause bleiben.

Kaum hatte ich aufgelegt, rief Mudderns an und gab durch, was ich ihr bitte sofort ins Krankenhaus bringen solle, denn sie sei krank und bliebe erst mal dort, bis sie in eine Reha käme.

Ähm, ja, nee, is klaa.

Die folgenden Tage waren unwahrscheinlich kräftezehrend. Ich hätte dringend Ruhe gebraucht, war aber völlig fertig durch Mudderns Anrufe, sie sei sterbenskrank, und ihre Ansprüche, ich solle sie sofort besuchen. In solchen Situationen vertraue ich auf die Aussagen der Ärzte und Schwestern - ich wuchs mit zwei Elternteilen auf, die es toll fanden, krank zu sein, weil sich dann gefälligst alle um sie zu kümmern haben, und habe gelernt, mich besser an die Fachkräfte zu halten.

Die Schwestern beruhigten mich immer wieder, Mudderns sei gesund, ich solle bitte zusehen, dass ich das auch werde, sie behielten sie erst mal da, auch, damit der Neurologe sie noch mal in Ruhe untersuchen kann, um Parkinson auszuschließen.

Mittwoch war ich dann so weit wiederhergestellt, dass ich ins Krankenhaus fahren konnte, wo mir die Schwestern fast um den Hals fielen, weil: "Wir wissen nicht mehr, was wir mit Ihrer Mutter machen sollen. Sie ist kerngesund, will aber nicht nach Hause, weil sie dort alleine ist. Wir können ihr hier aber nicht helfen, weil sie gesund ist." Donnerstag bekam ich Mudderns dann endlich aus dem Krankenhaus nach Hause.

Dazwischen lagen viele Gespräche und Telefonate mit dem Sozialdienst, der Seniorenbeautragten, einer Tagespflegeeinrichtung, einer Seniorenwohneinrichtung und einem Pflegedienst - plus endlose Diskussionen mit Mudderns, die insistierte, sie wolle in eine Reha oder in Betreutes Wohnen, nee, doch nicht, sondern lieber zu Hause bleiben, wo man sie besuchen solle, damit sie nicht alleine ist, nein, Besuch will sie doch nicht, weil Besuch generell blöd ist, lieber will sie in die Reha und überhaupt, sie sei doch gesund, nur alleine, sie wolle öfter Besuch bekommen, nur seien alle Leute, die sie besuchen, blöd ... Sämtliche Freizeitaktivitäten von Kirche, Partei oder AWO fallen im übrigen auch aus, weil Mudderns die Termine oder die Leute nicht passen oder alle Aktivitäten schlichtweg doof sind.

Irgendwann verlor ich die Geduld. Mudderns wird nächste Woche drei Mal von Mitarbeiterinnen eines Pflegedienstes besucht, die ihr im Haushalt helfen oder mit ihr spazieren gehen oder was auch immer, basta. Dann sehen wir weiter. Ein Termin in einer Seniorenwohnanlage, in der gerade eine Wohnung frei wäre, steht an, bei einer Tagespflege steht sie auf der Warteliste. Gott sei Dank ist Geld das letzte, um das wir uns momentan Gedanken machen müssen, denn da Mudderns ihren Haushalt alleine führen kann, bekommt sie keine Pflegestufe, muss alles privat finanziert werden.

Nebenbei frage ich mich, wo die Grenzen zwischen Exzentrik, Depression und Demenz verlaufen, und bin dankbar für die netten Menschen, die ich in den letzten Tagen traf, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen (und für das geduldige Personal des Krankenhauses).

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!